Emi MIyoshi

Performing Grounds, E-WERK Freiburg, 09.09.2016

_DSF0124---09.-September-20



Dr. Heidi Brunnschweiler
Kuratorin / Kunstwissenschaftlerin 

Shibui
(3) ist ein Performance Duett, das für Freiburg in dritter Version entsteht. Die Arbeit erstreckt sich über zwei Räume mit unterschiedlicher Lichtsituation. Ein Lichtkreis (2b) und ein doppelter Kegel (2c) schaffen ein bühnenartiges Aufmerksamkeitszentrum wie eine minimale Lichtskulptur.
Wirbelnde Spanplatten, tänzelnde Tischbeine sowie Vorort gefundene Elemente werden von den Performern in zwei je 30 minütigen Sessions zu immer neuen Konstellationen arrangiert und als Situationen für Tanzsequenzen genutzt. In den kleinen Räumen ist man den Körpern der Performer unmittelbar ausgesetzt. Durch das Rutschen, Ziehen und Fallen der Elemente entsteht eine eindringliche Soundkulisse. Der Betrachter wird so dem Werk als Prozess und mit seiner zeitlichen und physischen Dimension konfrontiert.
Während der übrigen Ausstellungszeit wird die Arbeit zur skulpturale Intervention und tritt dem Betrachter mehr unter formalen Aspekten entgegen. In beiden Räumen sind Versionen in unterschiedlichen Formaten als Videoprojektion präsent.
In Raum 2b ist die Freiburger Eröffnungsperformance aus zwei Perspektiven gefilmt auf kubischen Monitoren, die am Boden stehen, zu sehen. Der Betrachter muss ihnen beugend zuwenden. Die frühere Variante
Anonymous Trip – In my Room der Münchner Tanz Tendenz mit Bühnenarrangement läuft in Raum 2c. Die lebensgrosse Projektion adressiert hier den Betrachter als aufrechtes Wesen.

Strukturell basiert die Arbeit auf einem Set von Parametern und Regeln, d.h. auf einer Anzahl von Objekten sowie der Abmachung zwischen den Performern auf die Handlungen des andern intuitiv zu reagieren. Innerhalb dieser Situation können sich die performativen Aktivitäten und die räumlichen Arrangements frei entfalten.
 Dieses Vorgehen erinnert an die künstlerischen Strategien früher Tanzperformances. So hat u.a. Simone Whitmans Regeln und Objekte als Auslöser von Handlungen und Bewegungen eingesetzt. Robert Morris schaffte mit den Objekten Situationen, um bestimmte Raum- Zeit- und Formprobleme der Skulptur performativ zu erproben.
Der doppelte Modus von Bühnensituation und minimaler Rauminstallation, in dem Shibui (3) erscheint, ist das besondere an der Freiburger Ausgabe. Die Wahrnehmung der verschiedenen Qualitäten (Raum- vs Zeiterfahrung; Tanz vs Werkprozess) der Arbeit erfordert eine mehrmalige Präsenz des Betrachters über den gesamten Ausstellungsverlauf.
Die Videos als Archiv und Gedächtnis verdeutlichen zudem den veränderlich, ephemeren Charakter, dem das Medium Performance durch Zeit wie durch Kontext unterworfen ist. Jenseits der Dokumentation verkomplizieren diese Aufnahmen ihre herkömmliche Definition als flüchtig und einmalig.
Die je spezifische Raumsituation der Projektionen aktivieren den Körper des Betrachters unterschiedlich, dadurch werden live art und mediated art miteinander verknüpft und lösen einen zu simplen Gegensatz auf.

Robert Morris, „Notes on Dance,“ in, The Tulane Drama Review, Vol. 10, No. 2 (Winter, 1965), 179-186, 179.
Carlson, 2004, 49.
Carlson, 2004 49.

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Fotos: Jürgen Rösch